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Wetten Sie nicht gegen das ETSETT

Fragen und Antworten von Bruegel-Forscher Georg Zachmann zur Krise des Europäischen Emissionshandelssystems.

By: Date: June 6, 2013 Topic: Digital economy and innovation

Fragen und Antworten von Bruegel-Forscher Georg Zachmann zur Krise des Europäischen Emissionshandelssystems

Das 2005 eingeführte Europäische Emissionshandelssystem ETS ist die tragende Säule der europäischen Klimaschutz-Strategie – und es ist das größte Emissionshandelssystem der Welt. Doch es ist ins Gerede gekommen. Denn nach den Höchstständen im Mai 2008 ist der Preis für Emissionszertifikate eingebrochen. Industrie, Zivilgesellschaft und Politiker begannen, über eine „Reparatur“ des ETS nachzudenken.

Die für das ETS zuständige EU-Kommission schlug schließlich das so genannte „Backloading“ vor: Sie will die Herausgabe neuer CO2-Rechte um vier bis sieben Jahre verschieben. Dadurch soll  das Marktangebot verknappt und der Preis für Verschmutzungsrechte erhöht werden. Doch die Reform scheiterte vorläufig im Europaparlament. Seither sind die Preise für ETS-Zertifikate weiter gesunken.

Das Scheitern des „Backloading“-Vorschlages  sei kein Drama, meint Bruegel-Forscher Georg Zachmann. Trotz der aktuellen Probleme bleibe das ETS ein effektives und effizientes Instrument, um Treibhausgas-Emissionen zu beschränken. Obwohl die Preise nicht stabil waren, ist das System gewachsen. Es deckt heute mehr Industriesektoren und Treibhausgase ab denn je, und es ist robuster und weniger verzerrend geworden.

Um das ETS zu stabilisieren, sollte nicht kurzfristig in die Vergabe von Verschmutzungsrechten eingegriffen werden, sondern die langfristige Glaubwürdigkeit des Systems erhöht werden. Um diese Ziele zu erreichen, sollte die Europäische Investitionsbank Versicherungen verkaufen, die den betroffenen Firmen einen bestimmten ETS-Preis in der Zukunft garantieren. Dies würde das Risiko für klimafreundliche Investitionen senken und das ETS stabilisieren, bis Entscheidungen über die langfristigen Klimaziele der EU getroffen werden.

Wie das in der Praxis aussehen könnte, erläutert Georg Zachmann in fünf Fragen und Antworten:

Warum ist das „Backloading“ keine Lösung für die aktuellen Probleme?

Ich sehe das "Backloading" als ein Placebo. Wobei die Frage ist, ob das Placebo einen messbaren medizinischen Erfolg hat oder nicht. Man nimmt Emissionsrechte, die man eigentlich jetzt versteigern will, und verschiebt  die Auktion um fünf Jahre. Das dürfte keinen ökonomischen Effekt auf das gesamte System haben. Solange man die Möglichkeit hat, die zurückgehaltenen Emissionsrechte in Zukunft doch noch zu kaufen, sollte sich der Preis dadurch nicht massiv beeinflussen lassen.

Ist das ETS ohne die Reform zum Scheitern verurteilt?

Bis zum Krisenausbruch 2008 hat sich das ETS relativ gut bewährt. Das ETS war in der  Lage, zusätzliche Emissionsreduktionen anzustoßen. Das ETS war in der Lage, die Industrieproduktion zu modernisieren. Das ETS hat in unterschiedlichen Sektoren unterschiedlich stark gewirkt. Insgesamt war die Performance ziemlich gut. Jetzt ist der Preis eingebrochen und wir stehen vor der Frage, was zu tun ist. Strukturelle Maßnahmen sind wahrscheinlich nötig, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Aber das ETS als solches kann man nicht als klinisch tot bezeichnen, weil es juristisch gesehen ein in Stein gemeißeltes System ist – quasi mit Verfassungsrang. Nur auf Vorschlag der EU Kommission und mit qualifizierter Mehrheit der Mitgliedstaaten kann es abgeschafft werden. 

Drohen nun nationale Alleingänge?

Wir haben jetzt zugegebenermaßen die Situation, dass mit Großbritannien ein großer Mitgliedstaat auf dem Weg ist, seinen eigenen CO2-Preis zu etablieren, der über dem europäischen CO2-Preis liegen soll. Alle Ökonomen weisen darauf hin, dass das – gelinde gesagt – Unfug ist. Denn das wird nur dazu führen, dass mehr Emissionen in anderen Teilen Europas produziert werden. Die europäischen Zertifikate, die in Großbritannien durch das strengere nationale Ziel übrig bleiben, werden nicht verfallen, sondern in den Rest Europas exportiert, wo sie zu zusätzlichem CO2-Ausstoß genutzt werden. Den Mitgliedstaaten müsste sich eigentlich erschließen, dass sie damit eine Politik betreiben, die gegen ihre eigenen nationalen Interessen gerichtet ist.

Wie sieht das Bruegel-Modell aus?

Wir schlagen ein Art Versicherungsmodell vor. Firmen sollen bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) Versicherungen kaufen können, mit denen ihnen ein bestimmter Preis für Emissionsrechte in der Zukunft garantiert würde. Ein solcher Vertrag würde beispielsweise verbriefen, dass das versicherte Unternehmen im Jahr 2030 das Recht hat, eine bestimmte Menge überschüssiger Verschmutzungsrechte zu mindestens 40 Euro zu verkaufen. Damit sichern sich Investoren gegen niedrigere Preise ab. Am Anfang macht der Staat oder die EIB beim Verkauf der Versicherung mit der Optionsprämie erst Mal einen Gewinn.

Wie würden die Zertifikate-Preise festgelegt?

Das Versicherungsmodell würde keinen fixen Zertifikate-Preis festlegen – die Ausübungspreise könnten beispielsweise gestaffelt werden. Selbstverständlich würden Investoren für das Recht, ein Zertifikat zu einem Preis von 40 Euro zu verkaufen, heute mehr bezahlen, als für das Recht, zu einem Preis von 10 Euro zu verkaufen. Die Marktakteure legen ihren langfristigen Investitionen Annahmen über den künftigen CO2-Preis zugrunde. Es ist nur fair, dass jetzt Geld auf den Tisch gelegt wird, um die Investoren abzusichern, die heute in CO2-Reduktionen investieren.


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